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Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen

Austrahlung 1998
gesendet Radio Lora 1998

 

Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen
Als Philosoph im traditionellen Sinne liesse sich Günther Anders kaum einordnen. Der 1902 in Breslau geborene Denker, Sohn eines berühmten Psychologen namens William Stern, bleibt gegenüber der Schulphilosophie anders. Anders war er auch als Jude in den Augen der Nazidiktatur, von daher sein Pseudonym: Günther Anders.  
Seine philosophischen Lehrjahre hat er in den Seminarien Heideggers und Husserls verbracht, bei letzterem hat er promoviert. Einflüsse dieser beiden für die Philosophie des 20. Jahrhunderts insgesamt wichtigen Gestalten sind auch in der Philosophie Günther Anders' zu finden, doch hebt er sich mit seinem betont unakademischen Stil von ihnen weit ab. Ziel seines Unternehmens ist es, die Bewohner dieser einen Erde aufzurütteln. Gewissermassen mit dem Blick vom Mond, so ein Titel seiner Schriften, soll die Welt verfremdet angeschaut werden, um diese aus ihrem Schlaf zu wecken. Anders, der wie die Frankfurter Schule ins Exil musste, zu ihr jedoch ein distanziertes Verhältnis hatte, betätigte sich nicht nur als Schriftsteller, Publizist und Autor philosophischer Schriften, sondern war ebenso in den 50er und 60er Jahren Mitstreiter der Antiatombewegung. Mit seiner 1987 erschienenen Schrift Gewalt - Ja oder Nein, die radikal Gewalt gegen die atomare Hochrüstung und die scheinbar friedliche Nutzung von Kernenergie befürwortete, schien er sich ganz in der philosophischen Landschaft zu diskreditieren.  Der Adorno - Preisträger von 1982 wurde innerhalb der Republik der freien Geister noch mehr totgeschwiegen. Versöhnlichere Denker wie etwa der konservative Hans Jonas ernteten das Lob, für welches im Hintergrund Anders das philosophische Material lieferte. Nur zum Schein mag es verwunderlich sein, dass die Philosophie Anders’ selbst heute kaum rezipiert wird. Dass auch den das Leben bestraft, der zu früh kommt, darum wusste Anders wie kein zweiter. Doch liefert seine Philosophie der Technik auch die Gründe, weshalb und wieso seine Position, die für die Aufarbeitung des späten 20. Jahrhunderts nach wie vor tragend ist, verschwiegen und verdrängt wird.
Zahlreich sind die Schriften Günther Anders'. Titel wie Ketzereien, Besuch im Hades, Die atomare Drohung, Hiroshima ist überall,  Mensch ohne Welt, Wir Eichmannsöhne, Lieben gestern und andere mehr sprechen für sich. Sie alle haben zum Gegenstand die veränderte condition humaine im Zeitalter der Technik. Sein Hauptwerk bildet jedoch die in zwei Bänden herausgegebene Schrift  Die Antiquiertheit des Menschen, was man mit den Worten Von der Veraltetheit des Menschen  übersetzen könnte. Der erste Teil erschien schon 1956 und wurde 1978 um einen zweiten Band ergänzt, Nachträge wie die Aldous Huxleys -  brave new world revisited.  Zehn Jahre vor der 1966  publizierten Negativen Dialektik Adornos erschienen, ebenso um einige Jahre der Schrift des Heidegger-Schülers Herbert Marcuse voraus, der mit seiner Arbeit Der eindimensionale Mensch, so der Untertitel, Studien zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft lieferte, bleibt auch heute noch Anders' Werk Die Antiquiertheit des Menschen  ein wichtiger Beitrag für die Aufarbeitung unserer technischen Gesellschaft. Die anhaltende Druckfrische dieses Werks spricht jedoch weit weniger für Anders' philosophischen Genius als gegen die Geschichte selbst. Ziel seiner Philosophie ist es, theoretisch Geschichte aufzuarbeiten, um einer veränderten Praxis nachzukommen. Eine solche Ausgangslage entfernt sich jedoch von der unmittelbaren Forderung nach Veränderung, vielmehr liegt Anders' Schwergewicht in der Frage, wie die spätkapitalistische Praxis selbst schon den Menschen weitgehend verändert hat.  Damit ist der Philosophie nicht so sehr die Frage nach der Veränderung von Welt, sondern die Frage nach der Verändertheit des Menschen durch die Welt zugewiesen. Das Zitat, das solidarisch gegen Brecht gedacht ist, und das als Einleitung für den zweiten Band der Antiquiertheit des Menschen steht, beleuchtet insgesamt Anders' philosophisches Anliegen und reflektiert die neue Ausgangslage für eine jegliche Philosophie: "Es genügt nicht, die Welt zu verändern. Das tun wir ohnehin. Und weitgehend geschieht das sogar ohne unser Zutun. Wir haben diese Veränderung auch zu interpretieren. Und zwar, um diese zu verändern. Damit sich die Welt nicht weiter ohne uns verändere. Und nicht schliesslich in eine Welt ohne uns."
Das Hauptwerk Anders' versteht sich als eine Philosophie der Technik, genauer eine "philosophische Anthropologie im Zeitalter der Technokratie". Anders als Arendt, Schelsky und Habermas versteht er jedoch unter dem Begriff der Technokratie nicht so sehr die Herrschaft von Technokraten, sondern den Zustand, "dass die Welt, in der wir heute leben und die über uns befindet, eine technische ist ...". Diese radikale und nicht minder provokative Argumentation ersetzt den Gedanken einer Herrschaft des Menschen über den Menschen mit dem der Herrschaft der Technik über den Menschen. Anders zufolge gerät die traditionelle Zuordnung von Subjekt und Objekt, von Mensch und Technik ins Wanken. Mit dem gesellschaftlichen Entwurf einer von Technik bestimmten Zivilisation verliere die Menschheit zusehends ihrer Technik gegenüber an Souveränität und werde deren Sklave.
[Auszug]

Als Philosoph im traditionellen Sinne liesse sich Günther Anders kaum einordnen. Der 1902 in Breslau geborene Denker, Sohn eines berühmten Psychologen namens William Stern, bleibt gegenüber der Schulphilosophie anders. Anders war er auch als Jude in den Augen der Nazidiktatur, von daher sein Pseudonym: Günther Anders. Seine philosophischen Lehrjahre hat er in den Seminarien Heideggers und Husserls verbracht, bei letzterem hat er promoviert. Einflüsse dieser beiden für die Philosophie des 20. Jahrhunderts insgesamt wichtigen Gestalten sind auch in der Philosophie Günther Anders' zu finden, doch hebt er sich mit seinem betont unakademischen Stil von ihnen weit ab. Ziel seines Unternehmens ist es, die Bewohner dieser einen Erde aufzurütteln. Gewissermassen mit dem Blick vom Mond, so ein Titel seiner Schriften, soll die Welt verfremdet angeschaut werden, um diese aus ihrem Schlaf zu wecken.   Anders, der wie die Frankfurter Schule ins Exil musste, zu ihr jedoch ein distanziertes Verhältnis hatte, betätigte sich nicht nur als Schriftsteller, Publizist und Autor philosophischer Schriften, sondern war ebenso in den 50er und 60er Jahren Mitstreiter der Antiatombewegung. Mit seiner 1987 erschienenen Schrift Gewalt - Ja oder Nein, die radikal Gewalt gegen die atomare Hochrüstung und die scheinbar friedliche Nutzung von Kernenergie befürwortete, schien er sich ganz in der philosophischen Landschaft zu diskreditieren.  Der Adorno - Preisträger von 1982 wurde innerhalb der Republik der freien Geister noch mehr totgeschwiegen. Versöhnlichere Denker wie etwa der konservative Hans Jonas ernteten das Lob, für welches im Hintergrund Anders das philosophische Material lieferte. Nur zum Schein mag es verwunderlich sein, dass die Philosophie Anders’ selbst heute kaum rezipiert wird. Dass auch den das Leben bestraft, der zu früh kommt, darum wusste Anders wie kein zweiter. Doch liefert seine Philosophie der Technik auch die Gründe, weshalb und wieso seine Position, die für die Aufarbeitung des späten 20. Jahrhunderts nach wie vor tragend ist, verschwiegen und verdrängt wird.Zahlreich sind die Schriften Günther Anders'. Titel wie Ketzereien, Besuch im Hades, Die atomare Drohung, Hiroshima ist überall,  Mensch ohne Welt, Wir Eichmannsöhne, Lieben gestern und andere mehr sprechen für sich. Sie alle haben zum Gegenstand die veränderte condition humaine im Zeitalter der Technik. Sein Hauptwerk bildet jedoch die in zwei Bänden herausgegebene Schrift  Die Antiquiertheit des Menschen, was man mit den Worten Von der Veraltetheit des Menschen  übersetzen könnte. Der erste Teil erschien schon 1956 und wurde 1978 um einen zweiten Band ergänzt, Nachträge wie die Aldous Huxleys -  brave new world revisited.  Zehn Jahre vor der 1966  publizierten Negativen Dialektik Adornos erschienen, ebenso um einige Jahre der Schrift des Heidegger-Schülers Herbert Marcuse voraus, der mit seiner Arbeit Der eindimensionale Mensch, so der Untertitel, Studien zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft lieferte, bleibt auch heute noch Anders' Werk Die Antiquiertheit des Menschen  ein wichtiger Beitrag für die Aufarbeitung unserer technischen Gesellschaft. Die anhaltende Druckfrische dieses Werks spricht jedoch weit weniger für Anders' philosophischen Genius als gegen die Geschichte selbst. Ziel seiner Philosophie ist es, theoretisch Geschichte aufzuarbeiten, um einer veränderten Praxis nachzukommen. Eine solche Ausgangslage entfernt sich jedoch von der unmittelbaren Forderung nach Veränderung, vielmehr liegt Anders' Schwergewicht in der Frage, wie die spätkapitalistische Praxis selbst schon den Menschen weitgehend verändert hat.  Damit ist der Philosophie nicht so sehr die Frage nach der Veränderung von Welt, sondern die Frage nach der Verändertheit des Menschen durch die Welt zugewiesen. Das Zitat, das solidarisch gegen Brecht gedacht ist, und das als Einleitung für den zweiten Band der Antiquiertheit des Menschen steht, beleuchtet insgesamt Anders' philosophisches Anliegen und reflektiert die neue Ausgangslage für eine jegliche Philosophie: "Es genügt nicht, die Welt zu verändern. Das tun wir ohnehin. Und weitgehend geschieht das sogar ohne unser Zutun. Wir haben diese Veränderung auch zu interpretieren. Und zwar, um diese zu verändern. Damit sich die Welt nicht weiter ohne uns verändere. Und nicht schliesslich in eine Welt ohne uns."Das Hauptwerk Anders' versteht sich als eine Philosophie der Technik, genauer eine "philosophische Anthropologie im Zeitalter der Technokratie". Anders als Arendt, Schelsky und Habermas versteht er jedoch unter dem Begriff der Technokratie nicht so sehr die Herrschaft von Technokraten, sondern den Zustand, "dass die Welt, in der wir heute leben und die über uns befindet, eine technische ist ...". Diese radikale und nicht minder provokative Argumentation ersetzt den Gedanken einer Herrschaft des Menschen über den Menschen mit dem der Herrschaft der Technik über den Menschen. Anders zufolge gerät die traditionelle Zuordnung von Subjekt und Objekt, von Mensch und Technik ins Wanken. Mit dem gesellschaftlichen Entwurf einer von Technik bestimmten Zivilisation verliere die Menschheit zusehends ihrer Technik gegenüber an Souveränität und werde deren Sklave.
[Auszug]

 

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